Liebe Mandantinnen und Mandanten, liebe Betriebsräte,

ich vermute, Sie kennen den alten Gag: was antwortet ein Jurist, wenn er die Antwort nicht weiß? „Kommt darauf an!“

Ich wette, so oder so ähnlich antwortet der Betriebsrat in dem hier relevanten BAG-Verfahren auf die Frage „Hast du gewonnen oder verloren?“ Man weiß es nämlich nicht so genau. Prozesstechnisch gesehen hat der Betriebsrat verloren, aber die Feststellungen des BAG zum Thema Arbeitszeiterfassung sind schon ein ziemlicher Paukenschlag und wären von den Arbeitnehmervertretern unserer Zunft wohl eher nicht so erwartet worden. Ich hätte jedenfalls nicht darauf gesetzt. Insofern hat der dortige Betriebsrat uns sicherlich einen großen Dienst erwiesen.

Nach der ganz aktuellen Entscheidung des BAG (v. 13.09.2022 – 1 ABR 22/21) sind Arbeitgeber also nun auch nach dem deutschen Recht gem. § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG verpflichtet, ein System einzuführen, mit dem die von den Arbeitnehmern geleistete Arbeitszeit erfasst werden kann. Eines gesonderten Umsetzungsaktes der schon vor vier Jahren ergangenen EuGH-Rechtsprechung zum selben Thema in deutsches Recht bedarf es daher nicht mehr. Allerdings führt dies auch dazu, dass einem Betriebsrat kein Initiativrecht zur Einführung einer elektronischen Zeiterfassung zusteht, weil die Verpflichtung bereits gesetzlich besteht. Den zweiten Teil der Entscheidung halte ich für grob falsch, weil dem Betriebsrat im Rahmen seiner Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG innerhalb des gesetzlichen Arbeits- und Gesundheitsschutzes ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Ausgestaltung der gesetzlichen Vorgaben zusteht. So ist auch vom BAG anerkannt, dass ein Betriebsrat die Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen initiativ erzwingen kann, obwohl § 5 ArbSchG die Verpflichtung des Arbeitgebers schon gesetzlich vorschreibt.

Wie geht es nun weiter? Gegen Arbeitgeber, die entgegen ihrer gesetzlichen Verpflichtung keine Zeiterfassung vorhalten, könnte z.B. wegen des Verstoßes gegen § 3 ArbSchG Anzeige bei der zuständigen Bezirksregierung erstattet werden. Bevor die Sache so weit eskaliert, sollte der Betriebsrat den Arbeitgeber natürlich zunächst einmal zur Umsetzung der BAG-Entscheidung auffordern. Ein Beschlussverfahren auf Durchsetzung der BAG-Entscheidung dürfte dagegen wenig Erfolg versprechen, denn das BAG hat dem Versuch der Betriebsräte, gesetzliche Verpflichtungen des Arbeitgebers gerichtlich durchzusetzen, regelmäßig eine Absage erteilt, wenn sich diese Verpflichtung – wie hier – nicht aus dem BetrVG ergibt.

Nutzen Sie also in diesem Sinne die Ihnen zur Verfügung stehende Arbeitszeit weise und überarbeiten Sie sich nicht!

Ihr Christopher Koll