Liebe Mandantinnen und Mandanten, liebe Betriebsräte,

die schnell näher rückenden besinnlichen Tage könnten Gelegenheit sein, einmal einen Blick auf ein Exotenthema zu werfen, das aber in vielen Konzernen mittlerweile zur Realität geworden ist. Im Rahmen einer sog. Matrixorganisation organisieren sich viele Konzerne unternehmensübergreifend, indem Entscheidungen außerhalb der rechtlichen Einheiten branchen- oder spartenübergreifend getroffen werden. Dies stellt das deutsche Arbeitsrecht immer wieder vor Herausforderungen, zumal die Anzahl der Gerichtsentscheidungen aus diesem Bereich bisher überschaubar geblieben ist.

Das ArbG Bonn hatte sich nun im Frühjahr mit einer der wesentlichen Problemstellungen aus diesem Bereich näher auseinandergesetzt, nämlich der Reichweite des Kündigungsschutzes nach dem KSchG (vgl. ArbG Bonn v. 03.02.2022 – 3 Ca 1698/21). Wesentliche Aspekte der betriebsbedingten Kündigung wie die Frage des Wegfalls des Beschäftigungsbedarfs und der Durchführung einer Sozialauswahl sind nach der ständigen Rechtsprechung des BAG eigentlich betriebsbezogen durchzuführen. Gerade dieser Betriebsbegriff kann in Matrixorganisationen aber schwer zu bewerten sein, weil das maßgebliche Merkmal der einheitlichen Leitung dort im Regelfall eben konzernübergreifend und nicht unternehmens- oder betriebsbezogen organisiert ist. Hier setzt die Entscheidung des Arbeitsgerichts Bonn an.

Betroffen war eine Arbeitnehmerin, die arbeitsvertraglich von der Konzernmutter zu einer Konzerntochter gewechselt war, ohne dass sich aber ihr Aufgabenfeld wesentlich geändert hatte. Sowohl die Vorgesetzten der Klägerin als auch untergebene Mitarbeiter waren im Ausland beschäftigt, sodass sich die Klägerin vor und nach dem Wechsel zur Konzerntochter innerhalb der Matrixorganisation des Konzerns befand. Die Konzerntochter kündigte nun betriebsbedingt mit dem Argument, die Aufgaben der Klägerin würden bei der Konzernmutter ausgeführt und nicht mehr an die Konzerntochter vergeben. Der Arbeitsplatz sei entsprechend weggefallen. Das Arbeitsgericht Bonn gab der Kündigungsschutzklage statt. Nach der dortigen Auffassung sei der Wegfall des Beschäftigungsbedarfs in so einem Fall ausnahmsweise konzernweit zu prüfen, da der Konzern über die Einrichtung einer Matrixstruktur einen Vertrauenstatbestand geschaffen habe, wonach Aufgaben jederzeit im Konzern hin- und herdelegiert werden könnten. Da die Aufgaben aber bei der Konzernmutter verblieben waren, war die Kündigung unwirksam.

Wenn diese Sichtweise in der Rechtsprechung weitere Verbreitung finden sollte, bedeutet dies für Arbeitsverhältnisse, die in eine Matrixstruktur eines Konzerns eingebunden sind, eine deutliche erhöhte Schwierigkeit, eine betriebsbedingte Kündigung zu rechtfertigen.

Ich wünsche Ihnen allen eine schöne Adventszeit und frohe Weihnachten!

Ihr Christopher Koll