Liebe Mandantinnen und Mandanten, liebe Betriebsräte,

häufig wird mir bei den Grundlagenschulungen zum BetrVG die Frage gestellt, warum der Betriebsrat denn bei Einstellungsanhörungen die Bewerbungsunterlagen aller Bewerber erhalten müsse. Er könne doch sowieso eine bessere Eignung anderer Bewerber nicht als Widerspruchsgrund nutzen? Die Antwort lautet, dass der Betriebsrat prüfen muss, ob die begehrte Einstellung eventuell eine Diskriminierung darstellt und z.B. gegen § 1 AGG verstößt.

In diesem Zusammenhang ist vielen Gremien eventuell nicht klar, dass der Arbeitgeber gem. § 164 Abs. 1 Satz 1 SGB IX im Zusammenhang mit jeder Stellenausschreibung nicht nur prüfen muss, ob ein freier Arbeitsplatz auch mit einem schwerbehinderten Bewerber besetzt werden könnte. Er muss gem. Satz 4 der Vorschrift auch die SBV und den Betriebsrat unmittelbar nach Eingang über eine Bewerbung eines schwerbehinderten Menschen unterrichten. Die spätere Mitteilung im Rahmen der Anhörung nach § 99 Abs. 1 BetrVG reicht also nicht aus.

Verletzt der Arbeitgeber diese Vorgabe, erwirbt ein übergangener schwerbehinderter Bewerber später sogar einen Schadensersatzanspruch nach § 15 AGG, hat jetzt das BAG entschieden (vgl. BAG v. 14.06.2023 – 8 AZR 136/22). Und damit erhält der Betriebsrat m. E. auch automatisch einen Widerspruchsgrund nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG, wenn sich aus den Bewerbungsunterlagen eine anderweitige solche Bewerbung ergibt. Es lohnt sich also durchaus, die Bewerbungsunterlagen einmal kurz durchzugehen!

Ich wünsche Ihnen allen eine besinnliche Adventszeit!

Ihr Christopher Koll